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Deine Lakaien – Biographie

von am 2008-10-23, in Biographien

1985 wird Michail Gorbatchow Generalsekretär der KPdSU, der Privatsender Sat 1 geht auf Sendung, die RAF-Terroristen Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt werden verurteilt – und Ernst Horn und Alexander Veljanov gründen in München die Band Deine Lakaien. Horn, ausgebildeter Dirigent, leitet das Orchester der Karlsruher Oper, Veljanov studiert Theaterwissenschaften. Die beiden finden sich über eine Kontaktanzeige. Horn ist inspiriert von dramatischer Oper, Folk- und Mittelaltermusik, Veljanov liebäugelt mit New Wave, Punk und dem frühen Gothic. So treffen inhaltlich zwar zwei Minus-Pol-Magneten aufeinander, doch die abstoßenden Kräfte pendeln sich ein und lassen eine neue musikalische Mixtur entstehen.

Bereits das Debut „Deine Lakaien“, das im Eigenvertrieb erscheint und schnell in der Subkultur Bahnen zieht, zeigt den typischen avantgardistischen Sound der Band, die Experimentierfreude zweier Ausnahmeerscheinungen und doch den Hang zu eingängigen, klassisch konstruierten Liedern. 1991 erscheint auf Gymnastic Records das Album „Dark Star“. Die Resonanz ist gewaltig: Deine Lakaien ernten eine Welle der Euphorie und gewinnen Fans in ganz Europa. Das Album selbst ist bis heute ein Dauerbrenner und für Einsteiger in den Wave-Pop ein Pflichtkauf. Gleichzeitig definieren Deine Lakaien mit Songs wie „Reincarnation“, Love me to the end“ oder „Dark Star“ die Ansprüche an intelligenten und dennoch tanzbaren Wave völlig neu. Fortan ist die Band omnipräsent, gilt als Leitstern der Szene und nutzt den erreichten Status für neue musikalische Ideen. Mit dem insgesamt etwas härteren und von Aspekten des Industrial inspirierten Album „Forest Enter Exit“ gelingt erstmals eine Platzierung in den deutschen Charts.

Das Karrussel ist nicht mehr zu bremsen: Deine Lakaien drehen ästhetisch anspruchsvolle Videos und avancieren zu einem Act, den trotz der immer noch vorhandenen Sperrigkeit Major-Labels ins Auge fassen. Horn und Veljanov reagieren auf den zunehmenden Erfolg und den zunehmenden Druck mit einem ungewöhnlichen Schritt. Sie dekonstruieren ihre mitunter pompösen und vielschichtigen Lieder und tragen sie auf einer begeistert aufgenommenen Tournee akustisch vor. Präpariertes Klavier und Stimme, die Leitmelodien als Kern – ein Konzept, mit dem sie 1995 nicht nur dem Wave einen dicken Qualitätsstempel aufdrücken, sondern gleichzeitig einen Trend setzen, dem bis heute Bands folgen. Die Frucht dieser Idee, das Album „Acoustic“, gelangt mühelos in die Charts. Ebenso wie das Album „Winter Fish Testosterone“, das ein Jahr später erscheint und mit dem Deine Lakaien erneut die Fähigkeit beweisen, dem Stillstand die Hörner aufsetzen zu können. Die Nachfrage nach Auftritten der Band ist inzwischen so groß, dass sie mühelos zwei ausgedehnte Deutschland-Tourneen spielt. Gleichzeitig verfestigen Horn und Veljanov mit der Nähe zu den Fans ihr Image als außergewöhnliche Live-Band. „Kasmodiah“ ist 1999 die erste Platte der Lakaien, die auf einem Major-Label erscheint. Die Musik ist eingängig und deutlich poppiger, dennoch keine Enttäuschung für die Fans. Im Gegenteil: Dank der beiden Hits „Into my arms“ und „Return“ generieren die beiden Musiker eine Vielzahl neuer Anhänger.

Mit dem 2002er-Album „White Lies“ kehren Deine Lakaien nochmals zu einem Metier zurück, das sie mühelos beherrschen: dem klassischen Liedgut. Auf dem Hintergrund privater Schicksalsschläge entsteht ein dicht gewobenes, einzigartiges und sehr ruhiges Album, das unglaublich redundant daherkommt, letztendlich jedoch genau dadurch besticht. Es ist ein ernstes Album, eine Perle der Melancholie und Traurigkeit, aber auch eine bestandene Reifeprüfung. Einen Querschnitt durch ihr gesamtes Repertoire liefern Deine Lakaien zuletzt mit dem 2005er-Album „April Skies“ ab; gleichzeitig kehren sie mit der Auskopplung „Over and done“ in die Clubs zurück. Gerade die Offenheit dieser Platte ist es, die den weiteren Weg der Lakaien kennzeichnet. Alles ist möglich – und alles wird sein. Wie zum Beweis dieser These gastiert die Band im April 2006 mit einem ausverkauften Akustik-Konzert auf Einladung der Neuen Nationalgalerie Berlin bei der Ausstellung „Melancholie. Genie und Wahnsinn in der Kunst“. Mehr als 1000 Zuschauer erleben in glasklarem musealen Setting einen bewegenden und wuchtigen Auftritt der Lakaien. Bestärkt durch den Erfolg entscheiden Veljanov und Horn, die nächste musikalische Grenzüberschreitung zu wagen: Sie bereiten für den Februar 2007 ihre erste Orchester- Tournee mit der Neuen Philharmonie Frankfurt vor.

Jochen Müter / Mai 2006

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